Das Oschatzer Königsschießen

Der Titel „Schützenkönig“ stammt aus der alten Tradition des Schützenwesens und ist noch heute in fast jeder schießsportlichen Vereinigung zu finden. Zur Ermittlung des Königs bestanden und bestehen keine einheitlichen verbandsübergreifenden Regularien, sondern jede Gesellschaft, jeder Verband kann diese eigenständig festlegen. Vielerorts wurde zur Amtseinführung ein Schützenfest begangen, bei dem der König mit seinem Hofstaat mit einem Umzug zu einem Festplatz geleitet wird.

 

Das traditionelle Königsschießen fand in Oschatz 1673 erstmals Erwähnung. Alljährlich wurde es donnerstags nach Pfingsten bis zum darauffolgenden Sonntag abgehalten.

Eröffnet wurde das Königsschießen durch den Königs-Ehrentrunk, dem der Schützeneinzug folgte. Dem schloss sich ein wahres Volksfest an. Der ermittelte König erhielt einen Silberbecher. Als weitere Trophäen spendierte der Stadtrat Tuch, zinnerne Gefäße und Handschuhe.(1)

Im Juli 1708 schaffte sich die Gesellschaft sogenannte Species-Dukaten schwedischer Prägung an. Der Schützenkönig trug die an einer Kette hängenden Münzen, die ein vom Rat gestifteter silberner Schild mit Ratswappen zierte.(2) Als amtierender König hatte dieser für ein Jahr lang das Privileg, Bier steuerfrei abzubrauen sowie von „landt undt andern steuern befreyet“ zu sein inne.(3) Im Laufe der Zeit fielen diese Vergünstigungen weg. Dafür bekam der König Geldbeträge aus der Schützenkasse ausgezahlt.

 

Den König ermittelten die Scheibenschützen durch vier Rennen. Runde eins fand am ersten Schießtag, nachmittags vier Uhr statt. Wer in diesem den besten Schuss abgab, erhielt eine Prämie von einem Thaler und den Titel „Ritter“ verliehen. Die Schützen, die in allen vier Rennen die „weite Scheibe“ trafen, kamen zum Königsstechen auf die „nahe Scheibe“ zusammen. König wurde, wer in diesem Durchgang den zentrumsnächsten Schuss im Ziel platzieren konnte.(4)

Später war jedes Mitglied verpflichtet, beim jährlichen Pfingsschießen mindestens eine Nummer gegen Erlegung der geforderten Einlagen zu schießen.

In den 1920er Jahren bestand die Möglichkeit, dass sich die Mitglieder durch einen anderen Schützen vertreten ließen, mussten aber gegebenenfalls als König eintreten, wenn der vertretende Schütze die Königswürde mit seinem Schuss erreichte.(5)

 

Der Schützenkönig erhielt neben den Vergünstigungen während seiner Amtszeit die Königskette bzw. den Königsstern zur Repräsentation verliehen.

Die Königsketten und der Königsstern der Scheibenschützen

 

Bisher sind zwei Königsketten sowie ein Königsstern der PSSG bis 1945 bekannt. Otto Schumann, damaliger Vorsitzender der Gesellschaft, beschreibt diese 1927 wie folgt:(6)

 

Königskette anno 1803

Das ovale, getriebene Schild dieser Kette maß 15 x 20 cm, besaß am Rand acht kleine sowie weitere sechzehn silberne, teilweise mit Gold eingefasste Schilde, beispielsweise in Form eines kleinen Ofens, Hutes, Kissens, einer Brezel, eines Schlosses, eines Wappens der Landwirtschaft, eines Stiefels, eines Frühstückkorbes und etliche Schilder mit Wappen von Handwerkern. So wurden die Berufsstände der Schützenkönige plastisch visualisiert.

 

Königskette anno 1860

Das ovale Schild der Königskette maß 9 x 12 cm und zeigte darauf ein sauberes, fein geschnittenes Pferdegeschirr. Daran waren zwölf kleine, von den jeweiligen Schützenkönigen gestiftete und gravierte Schilde aus den Jahren 1860 bis 1880 angebracht.

Der Königsstern anno 1842

 

Seit 1842 besaß die Scheibenschützengesellschaft einen großen Königsstern aus echtem Silber mit Goldrand, den der regierende König anstatt der Königskette trug. Die vorbenannten Königsketten wurden seitdem nur noch bei besonderen, größeren Festlichkeiten angelegt.

 

Am Ende der Amtszeit eines jeden Schützenkönigs mussten die Vereinsinsignien an die nachfolgende Majestät übergeben werden. Stattdessen erhielt der scheidende König einen kleineren Silberstern als Erinnerungsabzeichen verliehen.

 

 

Der Verbleib beider Königsketten und des Königssterns konnte bisher noch nicht geklärt werden. In einer „Aufstellung der Vermögenswerte“ nach Ende des Zweiten Weltkrieges sind auch der Königsstern und der Wandschrank, in dem sich eine Königskette befand, gelistet. Ob diese nach der Erfassung beschlagnahmt, oder die Relikte möglicherweise durch die Schützen in Sicherheit gebracht wurden, bleibt vorerst ungewiss.

 


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(1) Festschrift 1937, S. 1 ff.

(2) Festschrift 1888, S. 1 ff.

(3) Staatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9898/19, fol. 6.

(4) Statut der Scheiben-Schützen-Gesellschaft zu Oschatz. Oschatz 1870, S. 25.

(5) Satzung der Priv. Scheiben-Schützen-Gesellschaft zu Oschatz e. V. Oschatz 1921, S. 13.

(6) Hobusch, Carl: Deutsche Schützenkleinodien. Eine Beschreibung von Schützen-Königsketten und ähnlichen Ehrenstücken deutschen Schützenwesens aus alter und neuer Zeit. Zerbst 1927, S. 10.

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Die Oschatzer Schützenkönige 1750–1937

 

Die folgende Aufstellung konnte durch die Festschriften von 1888 und 1937 sowie das Durcharbeiten der Oschatzer Tageszeitungen ab dem 19. Jahrhundert zusammengestellt werden.

 

1750 Emmerling, Johann Gottfried

1751 Hoffmann, Johann David

1752 keine Aufzeichnungen vorhanden

1753 Beyer, Johann Michael

1754 Nicolai, Johann Gottl.

1755 Liske, Johann Gottfried

1756 - 1762 Während des Siebenjährigen Krieges wurde kein Königsschießen abgehalten.

1763 Weber, Christian Gottfried

1764 Cramer (sen.), Caspar Gotth.

1765 Krapf, Heinrich Gottl.

1766 Fehre, Johann Gottl.

1767 Schneider, Johann Gottl.

1768 Becker, Karl Gottfried

1769 Schneider, Johann Gottl.

1770 Hickethier, Johann Friedrich

1771 Nuster, George Gotthelf

1772 Pfitzner, Johann Michael

1773 Ruloff, Johann Christian

1774 Boße, Heinrich Gotth.

1775 Zschoche, Johann Christian

1776 Mogk, Johann Ernst

1777 Eitelwein, cand. jur.

1778 Jedermann, Stadtrat

1779 Sturm, Christian Traugott

1780 Kirchner, Karl Samuel

1781 Nuster, George Gotthelf

1782 Ruloff, Johann Christian

1783 Sturm, Christian Traugott

1784 Rietzsch, Gottl. Simon

1785 Beyer, Christian Gottl.

1786 Sturm, Christian Traugott

1787 Mende, Christian Gottfried

1788 Günther, Stadtmusikdirektor

1789 Stephan, Carl Gottlieb

1790 Friedrich, Ernst Gottl.

1791 Nuster, George Gotthelf

1792 Fischer, Johann Gottlob

1793 Schneider, Johann Gottl.

1794 Schneider, Johann Gottl.

1795 Krapf, Christian Gottl.

1796 Kuhn, Johann Christian

1797 Rausch, Jakob

1798 Nuster, Gottfried Wilhelm

1799 Braun, Johann Christian

1800 Böhmert, Johann August

1801 Richter, Friedrich Benjamin

1802 Richter, Carl Gottlob

1803 Richter, Carl Wilhelm

1804 Keyne, Johann Carl

1805 Mogk, Johann Ernst

1806 Lempe, Carl Wilhelm

1807 Stephan, Johann Friedrich

1808 Richter, Carl Gottlieb

1809 Stephan, Carl Wilhelm

1810 Kutzscher, Johann Abraham

1811 Zschuke, Carl Gottl.

1812 Richter, Friedrich Benjamin

1813 Während der Befreiungskriege wurde kein Königsschießen abgehalten.

1814 Steltzner, Heinrich Wilhelm

1815 Stelzner, Friedrich Gottlieb

1816 Nitzsche, Christian Gotthelf

1817 Herrlich, Christian Traugott

1818 Arras, Johann Gottlieb

1819 Scheumann, Johann Gottfried

1820 Becker, Johann George

1821 Schuster, Friedrich

1822 Mohrlieder, Gottl.

1823 Koch, Christian Gottlieb

1824 Mohrlieder, Christian Gottl.

1825 Kühn, August

1826 Lochmann, David, Gotth.

1827 Schuster, Friedrich

1828 Rothe, Gottfried

1829 Mauch, Carl

1830 Fehre, Gottlob

1831 Piecke, Gotthelf

1832 Arras, Gottlieb

1833 Strunze, Friedrich

1834 Conrad, Franz

1835 Schloßhauer, Ed.

1836 Lochmann, Friedrich

1837 Decker

1838 Schulze, August

1839 Mohrlieder, Christian Gottl.

1840 Baumeyer, Ed.

1841 Schuster (jun.), Wilhelm

1842 Albrecht

1843 Auf Grund des Oschatzer Stadtbrandes von 1842 wurde kein Königsschießen abgehalten.

 1844 Röder, Wilhelm

 1845 Krause, C.

 1846 Müller, Dr.

 1847 Jedike, August

 1848 Röthe, Heinrich

 1849 Scheumann, Gottfried

 

1850 Herrmann, Gottfried

1851 Schuster (jun.), Wilhelm

1852 Strunze, Friedrich

1853 Steltzner, Heinrich

1854 Horn, C.

1855 Lochmann, C.

1856 Schreiber, Gottfried

1857 Raab, Ernst

1858 Müller, C.

1859 Buchmann (sen.), Carl

1860 Kretzschmar, Julius

1861 Koch, Wilhelm

1862 Jerike, August

1863 Zimmermann, Heinrich

1864 Knepper, Wilhelm

1865 Lausch, Robert

1866 Während des Preußisch-Deutschen Krieges wurde kein Königsschießen abgehalten.

1867 Buchmann, Carl

1868 Starke, Heinrich

1869 Friedrich, Wilhelm

1870 Nitzsche, Hermann

1871 Sauer, August

1872 Wend, Heinrich

1873 Paul, Heinrich

1874 Goltzsche, Heinrich

1875 Jedicke, Reinhold

1876 Schloßhauer, Oskar

1877 Zimmermann, Heinrich

1878 Nikol, Ernst

1879 Miersch, Otto

1880 Fraundorf, Lebrecht

1881 Müller, Moritz

1882 Schnelle, Wilhelm

1883 Münkner, Heinrich

1884 Gregor, Hermann

1885 Schneider, Gustav

1886 Schloßhauer, Oskar

1887 Zeidler, August

1888 Zimmermann, Hermann

1889 Gruhl, Emil

1890 UIbrich, Hermann

1891 Hietzge, Adolf

1892 Richter, Franz

1893 Apelt

1894 Görlitz, Louis

1895 Rehn, Moritz

1896 Lauckner, Fritz

1897 Werner, Oskar

1898 Kretzschmar, Franz

1899 Hertel, Ludwig

1900 Hofmann, Bruno


1901 Fritzsche, Hermann

1902 Oehmichen, Oskar

1903 Wankel, Georg

1904 Guckland, Hermann

1905 Kühne, Gustav

1906 Rosenmüller, Richard

1907 Rülke, Arno

1908 Sorge, Hermann

1909 Rosenmüller, Richard

1910 Rein, Willi

1911 Wolf, Hermann

1912 Schumann, Otto

1913 Seidel, Hermann

1914 Bach, Otto (Foto rechts)

1915 - 1919 Während des I. Weltkrieges wurde kein

Königsschießen abgehalten.

 


1920 Prietzel, Ernst

1921 Müller, Eugen

1922 Köllmer, Ernst

1923 Fischer, Bruno

1924 Hasselbrink, Ferdinand

1925 Fischer, Rudolf

1926 Schütze, Otto

1927 Medicke, Otto

1928 Heyde, Louis (Foto links)

1929 Teichmann, Paul

1930 Lässig, Johann

1931 Schumann, Otto

1932 Schumann, Otto

1933 Franke, Fritz

1934 Börner, Max

1935 Korn, Kurt

1936 Hübner, Walter

1937 Prietzel, Ernst

 

1938 - 1939 keine Aufzeichnungen vorhanden. Wahrscheinlich fand in diesem Zeitraum kein Königsschießen statt.

 

1940 - 1945 Während des II. Weltkrieges wurde kein Königsschießen abgehalten.