Die Privilegien der Oschatzer Schützen

Warum nennt sich auch heute der Oschatzer Schützenverein „Privilegierte Scheibenschützengesellschaft“?

Zur Beantwortung dieser Frage ist ein historischer Rückblick nötig.

 

Die Schützen standen seit jeher in hoher Gunst der Kurfürsten und waren eine feste Komponente des Stadtlebens. Waffen und Munition mussten finanziert werden und geübte Schützen waren für den Verteidigungsfall unabdingbar. Das war auch der Obrigkeit bewusst, wofür sie die Schützen entsprechend honorierte.

Die erste Privilegierung

Bereits am 22. August 1587 bestätigt Kurfürst Christian I. von Sachsen(1) dem Amtsvoigt Martin Horn, dass er gewillt sei, „das ihnen [den Schützen, M. K.] umb desto besserer und mehrer ubung willenn, wochentlichenn von trinitatis ahn, biß uff michaelis(2) ein halber thaler zum vortheilgelde, biß uf unser wider abschaffenn, auß gnadenn, und keiner gerechtigkeit gereicht werdenn soll.“(3)

 

In den folgenden Jahrhunderten wurden diese Zuwendungen wiederholt bestätigt und erweitert. Die sogenannten „Vortheilgelder“ erhielten die Schützen bis Michaelis 1636 durchgehend ausgehändigt. Aufgrund des Dreißigjährigen Krieges wurde ab 1637 die Auszahlung eingestellt.(4)

 

Nach der Neuformierung der Gesellschaft wurde ihr am 26. April 1700 durch Friedrich August I. von Sachsen(5) das Vortheilgeld in Höhe eines halben Thalers für alle Sonntage von Trinitatis bis Michaelis wieder zugesprochen.(6) Diese Summe wurde laut Cammer-Reglement 1754 erneut bestätigt sowie durch ein jährliches Quantum von acht Thalern 12 Groschen erweitert, unter der Bedingung, dass 17 Schießtage nachgewiesen werden können.(7)


Das Trankstuerbenefizium für die Scheiben- und Vogelschützen

Der Bitte der Schützen vom 7. November 1705, ein Bier steuerfrei brauen zu dürfen, wurde am 26. Mai 1706 stattgegeben. 1764 wurde es erneut legitimiert. Prinz Xaver von Sachsen(8) schrieb in einer Urkunde, datiert auf den 30. Mai 1764: „Wir können auf beigehende unterm 8. Mai a. c. gehorsamst eingerichtete Supplices in Gnaden geschehen lassen, daß der Scheiben-Schützen-Gesellschaft in Oschatz das gewöhnliche Trank-Steuer-Beneficium gegen Quittung und Attestate auf das verwichene 1763te Jahr sowohl als auch künftighin bis auf Wideruff angedeyhen möge.“

Am 29. Januar 1835 sicherte das Königshaus als Ersatz der Freibierbegnadigung einen Geldbetrag in Höhe von 20 Thalern zu.(9)

 

Nachdem sich neben den Scheibenschützen auch die Vogelschützen in Oschatz etablierten, baten diese ebenso um Privilegien. Im Namen des Königs und Kurfürsten Friedrich Augusts(10) schrieb Adam Friedrich von Schönberg am 2. Mai 1742 an die Meißner Kreiseinnahmestelle: „Wir begehren auf der Vogel Schützen Societät zu Oschatz in der Beyfüge beschehenes unterthänigstes Ansuchen hierdurch gnädigst, ihr wollet Derselben von Anfange jetzigen Jahres, zur Ergötzlichkeit, jedoch daß sie auch dagegen in diesen Exercitio mit Feuer Röhren sich fleißig übe, alljährlich Ein Bier nach dasigen Orths gewöhnlichen Schutt und Guß Steuer Frey abzubrauen verstatten oder den Betrag davor an Gelde vergnügen. Daran geschiehe Unsere Meynung.“(11)

 

Anno 1877 sollte dieses Tranksteuerbenefizium landesweit in Wegfall geraten. Das Königliche Ministerium des Innern beschloss gemäß Communicat vom 13. April 1877, das Freibieräquivalent gegen einen fünfundzwanzigfachen Geldbetrag der Summe aus der Stadtkasse abzulösen.(12) Demzufolge erhielten die Scheibenschützen 1.541 Mark und 75 Pfennige als Entschädigung.(13) Berechnungsgrundlage waren 61 Reichsmark 67 Pfennige anstatt der 20 Thaler.

 

Nicht nur die Fürsten, sondern auch die Stadt unterstützte die Scheibenschützen finanziell. Während des Schießens erhielt die Gesellschaft alle Sonntage zehn Groschen aus der Stadtkasse ausgezahlt. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kam ihnen diese Unterstützung zu Gute.


Die gesellschaftseigene Gerichtsbarkeit

Ein weiteres Privileg, das sonst nur mächtigen Zünften zustand, war eine gewisse Strafgerichtsbarkeit über Gesellschaftsmitglieder und Gäste. Festgehalten sind diese Regularien in den Schützenordnungen und Statuten. In diesen existieren Strafverzeichnisse für verschiedenste Verfehlungen. So war zum Beispiel das unentschuldigte Fehlen bei Begräbnissen mit vier, das Fernbleiben von den Donnerstags-, Sonntags- und Michaelis- Ein- und Auszügen mit bis zu fünfzehn Mark Strafgeld belegt.(14)

Von der Oschatzer Schützengesellschaft sind die Statuten aus den Jahren 1870 und 1890 sowie die Satzungen aus den Jahren 1921, 1935 und 1940 überliefert.

 

Im 21. Jahrhundert existieren für die Schützengesellschaften keine dieser Vergünstigungen mehr. Um an die traditionsreiche Geschichte des Oschatzer Schützenwesens zu erinnern, wurde im Jahr der ersten Vereinsgründung 1921 sowie nach der Vereinsneugründung 1990 das Adjektiv „privilegiert“ vorangestellter Bestandteil des Vereinsnamens.

 

-----

(1) Christian I. von Sachsen, * 29. Oktober 1560 in Dresden, † 25. September 1591 ebenda, ab 1586 Kurfürst von Sachsen.

(2) Als Trinitatis wird der erste Sonntag nach Pfingsten bezeichnet. Michaelis ist die Kurzbezeichnung des 29. Septembers. Heute wird dieser Tag in der katholischen sowie evangelischen Kirche als „Tag des Erzengels Michael und aller Engel“ begangen.

(3) Staatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 9898/19, fol. 1.

(4) Staatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 9898/19, fol. 3.

(5) Friedrich August I. von Sachsen, * 12. Mai 1670 in Dresden, † 1. Februar 1733 in Warschau, ab 1694 Kurfürst von Sachsen, ab 1697 König August II. von Polen, genannt der Starke.

(6) Staatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 9898/19, fol. 10.

(7) Staatsarchiv Dresden, 10036.Locate Finanzarchiv, Nr. 41498, fol. 47 v. f.

(8) Franz Xaver Albert August Ludwig Benno von Sachsen, Graf von der Lausitz, * 25. August 1730 in Dresden † 21. Juni 1806 in Zabeltitz, Albertiner, Prinz von Sachsen und Polen sowie von 1763 bis 1768 Regent (Administrator) des Kurfürstentums Sachsen.

(9) Staatsarchiv Dresden, 10036.Locate Finanzarchiv, Nr. 33365, fol. 58 v.

(10) Gemeint ist hier: Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen, * 17. Oktober 1696 in Dresden, † 5. Oktober 1763 ebenda, ab 1733 König August III. von Polen.

(11) Stadtarchiv Oschatz, Abt. II, Abschn. XII, Nr. 6, fol. 7.

(12) Staatsarchiv Leipzig, 20024 Kreishauptmannschaft Leipzig, Nr. 1056, fol. 114 f.

(13) Staatsarchiv Dresden, 10851.2 Ministerium der Finanzen, Nr. 119, fol. 90.

(14) Strafverzeichnis der Priv. Scheiben-Schützen-Gesellschaft zu Oschatz e. V. vom 9. Januar 1922.

-----