Der Begräbnisunterstützungsverein der Privilegierten Scheibenschützengesellschaft

Die Existenz eines Begräbnisunterstützungsvereins als Bestandteil der Vereinshistorie war bisher weithin unbekannt.

Ein Blick auf die sächsische Schützengesellschaft hingegen bestätigt, dass die Existenz derartiger Vereine, resp. Kassen durchaus keine Seltenheit darstellt.

 

Errichtet wurde der Oschatzer Unterstützungsverein am 13. Juni 1789 als „Begräbniß-Beneficien-Casse“. Die aus 18 Punkten bestehende Ordnung wurde am 4. Februar 1790 vom Rat der Stadt Oschatz ohne Bedenken bestätigt, jedoch mit der Auflage versehen, die Artikel „nach Gelegenheit und Beschaffenheit der Zeit, auch vorfallenden Umständen, zu corrigieren, zu verbessern und zu mindern, oder auch zu vermehren.“(1)

Sinn und Zweck der später als Begräbnisunterstützungsverein bezeichneten Kasse war es, die finanzielle Belastung der Erben eines Verstorbenen beziehungsweise der Kommune zu reduzieren.

Die Vereinigung sollte, „die Eheweiber ungerechnet, aus 150 Membris bestehen“, da eine höhere Mitgliederzahl auch höhere Ausgaben zur Folge hätte.(2) Gegen ein gewisses Einkaufsgeld konnten sich jedoch auch weitere Personen als Anwärter eintragen lassen.

Der Vorstand der Begräbniskasse setzte sich aus dem jeweiligen Schützenhauptmann sowie vier Mitgliedern der Scheibenschützengesellschaft als Älteste, „welche das Amt eines Vorstehers zu verwalten, und Rechnung über Einnahme und Ausgabe zu führen im Stande“ sind, zusammen.(3)

Weiterhin fungierte einer der Ältesten als Vizevorsteher sowie einer als „Collektante und Societäts-Besteller“, also ein Schütze, der das Einkaufsgeld einnahm und die Anwärter in die dafür angelegte Expektantenliste einschrieb.

Erste Älteste waren der Zinngießer Georg Gotthelf Nuster als Vorsteher, der Glaser Christian Gotthelf Meyer als Vizevorsteher, der Gürtler Christian Gottfried Mende, der Posamentierer Carl Gottlieb Stephan und der Barettmacher Johann Gottlieb Liske als Kollektant und Besteller. Die beiden Vorsteher, denen die Kasse anvertraut war, hatten bei den jährlichen Hauptversammlungen den Mitgliedern Rechenschaft abzulegen.(4)

 

Doch wie wurde man Teil der Begräbnisunterstützungskasse? Einkaufen konnten sich alle Schützen, die eines „ehrbaren, christlichen und unbescholtenen Lebenswandels“, gesund und berufstätig waren sowie das 45. Lebensjahr noch nicht überschritten hatten. Beim Lebensalter konnten zugunsten der bei Kassenerrichtung älteren Schützen abgewichen werden.

Da die Mitgliederzahl der Scheibenschützengesellschaft 1790 noch weit unter 150 Personen lag, durften auch Oschatzer und Auswärtige der Kasse beitreten. Vorzugsweise wurden jedoch Schützen und Einheimische aufgenommen. Dies spiegelt sich auch in den Einkaufsgeldern, Leichensteuern und Einschreibegebühren wieder. Je nach Herkunft betrugen sie zwischen 6 Groschen Einkaufsgeld für Schützen und 18 Gulden Einkaufsgeld für Fremde.

Trat der Todesfall ein, hatten die Erben diesen unverzüglich dem Vorsteher zu melden. Dieser hatte dann die Ältesten in Kenntnis zu setzen und die Angehörigen erhielten innerhalb eines Tages die Unterstützungsleistung aus der Gesellschaftskasse. Jedes Mitglied war verpflichtet, sobald sich der Collektant bei ihm meldet, die genannte Leichensteuer zu entrichten oder dem Vorsteher binnen 24 Stunden zukommen zu lassen. Sofern ein Mitglied drei Leichensteuern nicht nachkam, konnte dieses aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Bei voller Mitgliederstärke betrug die Auszahlungssumme 25 Thaler.(5)

Nach dem Tod eines Mitglieds rückte ein Anwärter, in Reihenfolge der Einschreibung in der Expektantenliste, an dessen Stelle.

Keine Leichensteuer hingegen wurde gezahlt, wenn ein Mitglied wegen Verbrechen verurteilt, in Gefangenschaft verstarb oder Suizid beging. Ausnahmen hiervon konnten nur gemacht werden, wenn „eine solche in Inquisition gerathene oder Hand an sich gelegte Person von der hohen Landes-Obrigkeit respective gnädigste Abolition erlanget oder mit einem ehrlichen Begräbnisse begnadiget würde.“(6)

 

Bemerkenswert ist weiterhin die Verpflichtung aller Mitglieder zur Brandbekämpfung, wenn das Haus des amtierenden Vorstehers bzw. eines in dessen direkter Nachbarschaft Feuer fängt und dadurch die Gesellschaftslade einschließlich der darin aufbewahrten Gesellschaftskasse gefährdet sein sollte. In Hinblick auf die großen Stadtbrände und eine fehlende organisierte Feuerwehr eine durchaus berechtigte Direktive.

 

Der eingangs erwähnten Korrekturauflage folgend, wurde bis 1798 die Mitgliederzahl auf 200 Personen angehoben. In den folgenden Jahrzehnten passten die Schützen auch die Gebühren und Steuern an.

 

Ein Blick auf das Mitgliederverzeichnis aus dem Jahre 1813 zeigt, dass es sich hauptsächlich um wohlhabende Bürger und deren Familien handelt. Bäcker, Fleischer, Tuchmacher, Buchbinder, Waffenschmiede und Ärzte sind ebenso vertreten wie Kämmerer, Schulmeister, Stadtrichter, Schuhmacher, Händler und andere Produzenten aus Oschatz und den umliegenden Städten.


Stellvertretend sollen hier als wohl bekannteste Mitglieder Magister Carl Gottlieb Hering, erster Lehrer an der Bürgerschule zu Zittau, Komponist und Organist sowie der Buchdrucker Friedrich Christian Ludewig Oldecop erwähnt sein.

 

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(1) Articul der löblichen Scheiben-Büchsen-Schützen Begräbnis-Societät allhier zu Oschatz. Oschatz 1790, S. 4.

(2) Ebd., S. 5.

(3) Ebd., S. 6.

(4) Ebd., S. 7.

(5) Ebd., S. 11 f.

(6) Ebd., S. 14.

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